Der Tor und der Tod

Auch wenn ich für gewöhnlich nicht allzu viel mit Lyrik anzufangen weiß, so gibt es Tage, an denen es mich zu ihr zieht, wo ich mich nach kunstvollen Konstruktionen, nach Rhythmus und Reim, nach Alliterationen und Assonanzen, Metonymien, Metaphern, Emphasen, Pleonasmen, klug gesetzten Antithesen und ja, vielleicht sogar nach Paronomasien, jedenfalls allerlei Redeschmuck verzehre.

Einem solchen Tag erlag ich nach langer Zeit zum ersten Mal wieder in der vergangenen Woche und fand mich so zwischen dem Handschuh, der Bürgschaft, dem Erlkönig und dem Totentanz wider. Doch um Gedichte soll es heute gar nicht gehen, sondern um ein Büchlein, das ich entdeckte, als ich die Goethe- und Schiller-Bände wieder ins Bücherregal einordnete: »Der Tor und der Tod« von Hugo von Hofmannsthal. Es handelt sich hierbei um ein recht bekanntes, einaktiges Drama, das sehr zum Wohlwollen meiner aktuellen Lesestimmung in Versen verfasst wurde.

Es geht um Claudio, einen Edelmann des 19. Jahrhunderts, der eines Tages ernüchtert feststellt, dass er nie richtig gelebt hat. In diesem Moment der Erkenntnis begegnet er dem Tod und versucht ihn verzweifelt umzustimmen, indem er ihm seine Situation schildert: »Von Dämmerung verwirrt und wie verschüttet, Verdrießlich und im Innersten zerrüttet, Mit halbem Herzen, unterbundnen Sinnen In jedem Ganzen rätselhaft gehemmt, Fühlt ich mich niemals recht durchglutet innen, Von großen Wellen nie so recht geschwemmt, Bin nie auf meinem Weg dem Gott begegnet, Mit dem man ringt, bis daß er einen segnet« (S. 19f).

Doch der Tod zeigt sich ungerührt von seinen Worten, denn »was allen, ward auch […] [ihm] gegeben« (S. 20). Er nennt Claudio einen Tor und entschließt sich, ihm zu zeigen, was es bedeutet, zu leben, indem er (hier hatte ich einen kleinen Ebenezer Scrooge-Moment) drei tote Menschen aus dessen Vergangenheit auftreten lässt…

»Du Tor! Du schlimmer Tor, ich will dich lehren, Das Leben, eh du’s endest, einmal ehren. Dort stell dich hin und schweig und sieh hierher Und lern, daß alle andern diese Schollen Mit lieberfülltem Erdensinn entquollen, Und nur du selber schellenlaut und leer.« S. 22

Ich hatte wahrlich nichts zu meckern an dieser kleinen Geschichte und kann nur auf die Verzückung hinweisen, die mich packte, als ich sie mit der Hoffnung auf sprachliche Gewandtheit hin las. Der letzte Satz hat es mir hierbei besonders angetan und so will ich diese kurze Vorstellung, denn eine Rezension kann man es wohl weniger nennen, auch mit jenen Worten beenden:

»Wie wundervoll sind diese Wesen, Die, was nicht deutbar, dennoch deuten, Was nie geschrieben wurde, lesen, Verworrenes beherrschend binden Und Wege noch im Ewig-Dunkeln finden.« S. 30

Hugo von Hofmannsthal | Der Tor und der Tod | Insel Verlag | 32 Seiten | Preis:  11,95€ | ISBN 978-3-458-08028-2

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