Aus dem Leben eines Taugenichts

Hermann Hesse sagte einst zu diesem Buch, es sei eine der »paar kleinen Vollkommenheiten der Weltliteratur […], eine von den allerreifsten, allerzartesten, allerköstlichsten Früchten am Baum der bisherigen Menschheit«.

Sagen wir mal so… Jeder leidet von Zeit zu Zeit an Geschmacksverirrungen… (Achtung:  Es folgt eine bewusst überspitzte Hasstirade)

Schon nach der ersten Seite wusste ich: Wir beide werden keine Freunde. Und doch quälte ich mich durch die Seiten, weil ich einmal gehört hatte, man müsse dich gelesen haben. Bullshit, sage ich. Bist nicht mehr als eine hohle, langweilige Geschichte – wenn ichs recht bedenke, vielmehr ein Musical – über einen Müllerssohn, der, von seinem Vater einen Taugenichts geschimpft und in die Welt geschickt, fortan Geige spielend und Liedchen trällernd über Wien nach Rom und wieder zurück wandert, von einer glücklichen Fügung in die nächste rutscht, von jeder Frau angehimmelt, jedem Mann freundlich aufgenommen (und nicht etwa vom Grundstück verjagt) wird und am Ende – hier lachte ich mich krumm und schief – in großem Trara, mit Pauken und Trompeten und allerlei Blabla die große Liebe und Reichtum findet, ohne wirklich etwas dafür getan zu haben.

Wo wir schon bei der Liebe sind: Was bitte ist mit deinem Frauenbild schiefgelaufen? Du wurdest 1826 veröffentlicht, nicht im Mittelalter! (Selbst da hatten die Frauen zum Teil mehr Charakter, man erinnere sich an die Rache dürstende Kriemhild). Und doch waren die einzigen Charaktermerkmale, die du ihnen zudachtest ihre Schönheit und Unschuld. Oh, wie keusch schlug die »schöne gnädige Frau«, die Angebetete unseres Taugenichts, doch stets  die Augen nieder und wich dem Blick der Männer aus, rannte gar fort, sobald sich die Gelegenheit bot. Und wie verliebt die beiden doch angeblich waren, wie oft ihm das Herz zersprang und er sich schmerzerfüllt auf den Boden warf – ich hörte auf zu zählen – dabei hatten die beiden bis zur Endszene nie ein Wort miteinander gewechselt. Der Taugenichts hatte ihr nachgestellt, sie gestalked und sie war stets weggerannt. So war das.

Also eine 1+ für dich, mein lieber Eichendorff, für diese Darstellung von Liebe und dem weiblichen Geschlecht. Deine Zeit ist freilich keine Ausrede, die Literatur der Romantik bot weit mehr als nur hohle Püppchen, nämlich Frauen mit, ich weiß, das kommt jetzt überraschend, Charakter. Ich verweise da etwa auf Kleist oder Hoffmann. Und das bezieh mir nicht nur auf deine weiblichen Figuren, auch der Rest war maßlos überspitzt und, wie auch die gesamte Geschichte, mag sie auch märchenhafte Züge tragen, unglaubwürdig und oberflächlich. Kaum traf dein naiver Taugenichts auf einen Charakter, ließest du ihn wieder fallen, ohne dass er mir lange im Gedächtnis geblieben wäre. Zurück blieb einzig die große Verwirrung darüber, was das alles denn überhaupt soll. Auch dein Ende kann man trotz überraschender Auflösung kaum einen Geniestreich nennen, ekelte mich die rückblickende Konstruktion der Geschichte doch einfach nur an: ein einziges Klischee. Wie auch du ein einziges Klischee bist. Und darin nicht einmal abwechslungsreich. Unerheblich, ob dein Schöpfer dich als Parodie begriff oder nicht.

»Aber einige morsche Ziegel gaben nach, ich kam ins Rutschen, es ging immer rascher und rascher mit mir, bis ich endlich mit beiden Füßen aufplumpte, daß mir’s im Gehirnkasten knisterte.« S.84

Aber wie herrlich doch die Natur, wie schön das Trällern der Vögel, wie gefällig das Leben in dir doch ist, mag nun manch einer vermelden. Das Lebensgefühl der Romantik, den Kampf zwischen Philistern und Künstlern, das magst du wohl treffen, deshalb bist‘ wohl Schullektüre. GEWESEN. Denn E.T.A. Hoffmann tuts auch und ist dabei nicht so belanglos wie du.

Solltet ihr euch dieses Gräuel wirklich antun wollen und im Antiquariat um die Ecke ist’s nicht zu finden, dann greift doch – euer Geldbeutel wird es euch danken – zur Reclam Universalbibliothek. Wer Wert auf Anmerkungen legt, dem sei grundsätzlich bei Klassikern die Suhrkamp BasisBibliothek empfohlen.

Joseph von Eichendorff | Aus dem Leben eines Taugenichts | Insel Verlag | EAN: 9783458319023

3 Comments

  1. hafenmöwe

    Oh, nun muss ich es doch mal lesen, das Buch, von dem ich nur den Titel kannte. Der allein klang mir schon verheißungsvoll, da ich überzeugte Taugenichtsin bin und Trost allein darin fand, dass es mal in Vorzeiten jemanden der Mühe war, der großen Zunft der Taugenixe (weibl. Schreibweise?) Gehör zu verschaffen.

    1. Katharina Hoppe

      Hahaha, was für eine herrliche Wortneuschöpfung!! Tatsächlich ist der Taugenichts, so wie er dargestellt wird, gar nicht wirklich ein Taugenichts. Allein sein Vater verwendet dieses Wort zu Beginn. Aber ich will dich nicht aufhalten, es ist ja nicht besonders lang! Ich bin sehr gespannt, wie jemand anderes die Geschichte empfindet…

      1. hafenmöwe

        …ich auch… – Eichendorff an sich hat mich immer mit (etwas ererbter) Ehrfucht erfüllt („Schläft ein Lied in allen Dingen… “ und: – mein Vater mochte lieber Eichendorff wie Goethe.) – Dein Beitrag lässt mich nun wirklich nicht kalt: jetzt muss ich es genau wissen… – Ist ja ein dünnes Büchlein, und meist stellt es sich ja schon nach drei Seiten heraus… – Auf frohes Lesen und das Finden von wahren Buchschätzen, Gruß von Doris

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